Montag, 28. April 2008

Anspruch und Wirklichkeit

Ich bin kein nach Perfektion strebender Mensch. Das führt dazu, dass die Inhalte meines Unterrichts fachlich nicht immer so ausgearbeitet sind, dass meine Kollegen damit zufrieden sind. Ich beachte dabei jedoch den Anspruch, den die Schüler haben. Wenn es genügt, sich mit einer Materie vertraut zu machen, dann soll der Unterricht exemplarische sein. Ist es notwendig, ständig mit Fachthemen umzugehen, dann wird es genauer. So weit so gut. Und dann kommt es zu den vielen Informationen von Schulleitung, Lehrern, Referendaren und IQSH, in denen immer wieder eine objektive, nachvollziehbare und gerechte Beurteilung der Schülerleistungen gefordert wird. Das hat mich jetzt einige Wochen sehr stark beeinflusst. Ich habe mir Listen ausgedacht und Bewertungskriterien erarbeitet, nach denen ich die Schüler in allen möglichen Situationen bewerten kann. Aus einem Uni Projekt kenne ich auch noch ein Modell für Kompetenzbewertungen mit 15 verschiedenen Kriterien pro Schüler. Grob gerechnet kommt man schnell auf 30 Kriterien für individuelle Bewertungen, die kontinuierlich an meine 75 Schüler mindestens einmal pro Woche angelegt werden sollten. Wie macht man das nur? Das sind 2250 Bewertungskriterien pro Woche, für die ich mir je 10 sec gönne, also 6,25 Stunden mit Bewertungen beschäftigt wäre. Das geht nicht!
Diese Erkenntnis der Unvollkommenheit hat mich etwas blockiert. Dann endlich fand ich heraus, dass auch meine Anwärterkolleginnen und Kollegen die gleichen Probleme haben. Auch fertige Lehrer können das nicht schaffen. Wir beschränken uns also auf unsere Stichproben, auf unsere Menschenkenntnis und auf die gelegentlich abgeforderten schriftlichen Leistungsnachweise. Wer immer mir sagt, dass eine Schulnote einen Menschen in seinen Kompetenzen beschreibt und mit anderen Menschen vergleichbar macht, der muss mich lange und gut überzeugen können.
Ein anderes ungutes Gefühl kam in Bezug auf meinen Unterrichtsstil auf. Ich weiß einfach nicht, ob ich richtig oder falsch unterrichte. Ich weiß, dass ich anders arbeite als die meisten Kollegen der Sek II, aber das ist beabsichtigt. Nur, machen die Schüler das auch mit? Feedback der Schüler: „Seien sie mehr Lehrer“. Ich werde ihnen entgegenkommen, aber die nötige Selbständigkeit in unserer Gesellschaft soll weiter gefördert werden. Ich weiß auch, dass ich die gutgemeinten Ratschläge meiner Lehrer früher nicht beherzigt habe. Heute verteile ich ähnliche Weißheiten und ernte zum Teil den gleichen Unwillen.
Lernen durch Erfahrung ist das Eine, dazu brauche ich Rückmeldungen. Einige Schüler geben sie mir und einige Kollegen fordere ich immer stärker, meinem Unterricht beizuwohnen.
Lernen durch Vergleichen habe ich jetzt wieder schätzen gelernt, denn durch die Beobachtung von erfahrenen Kollegen werden mindestens zwei Dinge klar. Es gibt keinen perfekten Lehrer und selbst als Anfänger finde ich immer Verbesserungsmöglichkeiten. Andererseits finden sich auch immer kleine Tricks, die es lohnt selber mal auszuprobieren. Und sei es nur das einfache Vormachen – nachmachen – üben Prinzip vieler Unterrichtsmodelle. Die Schüler nehmen dies oft dankbar auf.
Und eine letzte Erfahrung. Durch das aufmerksame anschauen von Unterricht kann ich jetzt wieder stärker nachempfinden, wie lange man aufmerksam zuhören kann. Vieles geht danach an meinen Sinnen einfach vorbei. Das geht meinen Schülern sicher nicht anders.
See you

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