Mittwoch, 10. Januar 2007

Bildungsreform in Deutschland

Gestern Abend saß ich mit Jürgen im Café Central. Das Schöne dabei ist, dass wir immer wieder neue Themen finden, über die es sich halbwissenschaftlich diskutieren lässt. Ich erwähnte ja schon einmal, dass ich etwas über die Theorie der Wiedergeburt schreiben will (glaub ich), aber dazu später. Jetzt erst was Wichtigeres.
Wenn wir in Deutschland von Bildung sprechen, dann stöhnen immer alle. Viele schauen neidisch auf andere Länder, die entweder bei PISA „besser“ abgeschnitten haben, oder die über glückliche Schüler verfügen, wo lernen in der Schule Spaß macht. Sicher haben diese Länder auch ihre Probleme, sicher können wir auch nicht einfach anderer Länder Schulsysteme übernehmen, aber deshalb sollten wir doch über Veränderungen nachdenken dürfen – oder?
Was sollte denn eigentlich geändert werden? Darauf lasse ich mich erst gar nicht ein, denn hierüber gibt es schon so viele Veröffentlichungen in Wissenschaft und Tagespresse.
Welche Hemmnisse gibt es denn eigentlich? Kein Geld! Das wird immer behauptet, stimmt aber meiner Meinung nach nicht. Geld, was die Gesellschaft in Bildung investiert kommt der Gesellschaft auch wieder zugute. Dies kann empirisch nachgewiesen werden. Es gibt dazu sicher schon hunderte Seminar- und Examensarbeiten an deutschen Universitäten. Dies wird auch nicht bestritten, nur sind die Zeiträume, bis das Geld „zurückgezahlt“ wird eher lang. Darum kann es sich in einer Zeit, wo die Politiker stöhnen, kein Geld zu haben, die Kassen leer seien und die Bürger verstärkt zu größerer Zahlungsbereitschaft für die Allgemeinheit gezwungen werden, niemand vorstellen, in Bildung zu investieren.
Was ist also nötig, um unsere Bildung reformieren? Einiges glaube ich dazu erkannt zu haben und möchte das hier zur Diskussion stellen.
Zum einen müssen wir uns im Klaren sein, wie die zukünftige Bildung in Deutschland aussehen soll. Wir müssen uns von unseren eigenen Erfahrungen in und mit der Institution Schule frei machen und dürfen neu denken. Der Zeitraum der Umsetzbarkeit spielt keine Rolle. Ich gehe von mindestens einer, besser sogar zwei Schülergenerationen aus, bis wir einen Umbruch im System und in den Köpfen der Deutschen erreichen und festigen können.
Also lassen wir uns Zeit, denken nach und schaffen eine fundierte Bereitschaft zur Veränderung. Das heißt natürlich nicht, dass wir uns zurücklehnen und Tee trinken sollten, bis sich die öffentliche Meinung verändert hat.
Vorschläge für neue Schulformen gibt es genug. Das schwedische System steht in meinem Diskussionsumfeld sehr weit oben. Auch eigene Gedanken für neue Formen der Berufsausbildung habe ich seit Längerem im Kopf. Doch dazu später mal mehr (vielleicht)
Der erste Schritt ist, meiner Überzeugung nach, die Meinung der Öffentlichkeit für Neues zu öffnen. Nahezu jeder Deutsche hat Schule am eigenen Leib erlebt und hat diese Struktur-Erfahrung als Bestandteil seiner Umwelt aufgenommen und meist auch akzeptiert. Viele schimpfen zwar auf die Schule, selten aber über den strukturellen Rahmen. Meist sind einfach wir Lehrer schuld und müssten was ändern. Das kann ja sein, muss aber nicht.
Nur mehr Geld in dieses System zu stecken bringt sicher Erfolge, weil beispielsweise mehr Lehrer für die Schüler zur Verfügung stehen könnten. Aber das ist nicht mein Ziel. Wenn wir schon mehr Geld einsetzen, dann lasst uns auch an den Grundstrukturen rütteln. Fragen wir uns doch einfach, ob wir wieder mehr in Richtung Humboldt gehen sollten. Seine Konzeptionen waren schließlich jahrelang erfolgreich und haben es mit bewirkt, dass Deutschland ein Land der Erfinder und Entwickler wurde. Die Wirtschaftskraft Deutschlands geht im starken Maße auf eine Gute Bildung möglichst Vieler zurück.
Fragen wir uns aber bitte auch, ob diese Ideen heute noch sinnvoll und die Besten sind. Was macht Schweden anders? Ist es dort besser? Können wir die Allgemeinbildung vielleicht doch mit der beruflichen Bildung direkter verknüpfen und nehmen uns die Polytechnischen Oberschulen der DDR zum Vorbild? Damit würde eine Schwierigkeit der Schule, nämlich der Übergang in die Arbeitswelt vielleicht vereinfacht.
Ich bin sicher, es gibt noch wesentlich bessere Ideen. Ich möchte nur anregen, dass wir nicht in kleinsten Schritten denken, sondern uns trauen, über weitreichende und grundlegende Veränderungen nachzudenken.
Wie setzt sich so ein radikaler Schritt durch? Garnicht wäre eine passende Antwort, wenn wir davon ausgehen, dass Politiker wiedergewählt werden wollen (und müssen). Politiker können also nur so handeln, wie es die Bürger wollen. Wir Bürger kennen und akzeptieren aber unser heutiges Bildungssystem. Außerdem sind wir nicht gerne bereit, zusätzliches Geld in Bildung zu stecken. Setzten wir hier an, dann müssen wir also starten, diese Meinung zu verändern. Andere öffentliche Meinungen verursachen dann die anderen politischen Entscheidungsspielräume.
Ein Vorschlag wäre, die Medien, Werbemittel und staatliche Bildungseinrichtungen zu nutzen, um den Bürgern deutlich werden zu lassen, woher der Wohlstand in Deutschland einmal kam. Wir dürfen Stolz sein auf diese Entwicklung, auch wenn dadurch sicherlich viele negative Ereignisse (Kriege, Umweltzerstörung, Ungerechtigkeit..) mit beeinflusst wurden. Im Gegensatz zu vielen anderen Nationen ist es den Deutschen in den letzten zweihundert Jahren gelungen, eine Wirtschaftsmacht aufzubauen, die stark und innovativ ist. Das war kein Zufall sondern hing im wesentlichen von der Bildung und der Möglichkeit zur „freien“ Entfaltung von Ideen ab. Ideen entwickeln sich aber nicht nur in Forschungsprojekten, sie benötigen viele Möglichkeiten, gefunden zu werden. Sie brauchen also viel gut gebildetes Potenzial (Menschen), die eigenständig denken können und wollen. Wenn wir dieses wieder begreifen, dann sind wir auch bereit, in Bildung zu investieren. Da bin ich mir ziemlich sicher.
Als Maßnahmen stelle ich mir ganz banale Dinge vor, wie regelmäßige Zeitungsartikel über die deutsche Technikgeschichte. Soap Operas im Fernsehen, die sich statt mit Kindeserziehung mal mit Familien beschäftigen, in denen die Kinder lesen lernen durften (Einführung von Schulpflicht). Aber auch Spielshows mit Fragen zu deutschen Entwicklern und Erfindungen, in Zusammenhang mit der jeweiligen Epoche und Kaufkraft des Einzelnen bieten sich an. Es gibt sicher tausende Möglichkeiten, diese Meinungsbildung zu treiben.
Das muss natürlich auch wieder finanziert werden. Aber ich bin sicher, dass sich hier Gelder von Kommunen, Ländern, Bund, Stiftungen und der EU finden lassen. Schließlich gibt es reichlich Bildungsprojekte. Beispielhaft das „Lebenslange Lernen“ oder das „Leonardo“ http://www.europapol.de/bildung/leonardo.htm Projekt

Irgendwo habe ich mal gelesen: „wir wissen nicht, ob es besser wird, wenn wir was verändern. Wenn es besser werden soll, müssen wir aber etwas verändern“
See you

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